Geschafft. Dort steht es, das wundervolle Wort: Ende.
Wie viele Wochen und Monate an Schreibarbeit haben Sie investiert, welche Höhen und Tiefen durchlaufen, bis Ihr Manuskript endlich fertig war. Sie sind glücklich und unglaublich stolz auf sich. Bald werden Leser auf der ganzen Welt Ihr Buch in Händen halten.
Das in Auftrag gegebene Lektorat wird kaum noch Fehler entdecken, schließlich haben Sie selbst es mehrfach überprüft. Wofür haben Sie dann so viel Geld dafür ausgegeben? Na klar: Der letzte Feinschliff gehört dazu, damit Ihr Buch die Konkurrenz auf den Ranglisten weit hinter sich lassen wird.
Sie sind fest davon überzeugt, dass Ihr Werk mindestens das Potential zu einem Bestseller hat…
Zum x-ten Mal schauen Sie in Ihr E-Mail-Postfach. Immer noch keine Antwort Ihrer Lektorin.
Endlich. Ein kurzer Satz wie:
„In der Anlage finden Sie das lektorierte Manuskript. Mit freundlichen Grüßen …“
Mehr nicht? Sie übergehen dieses seltsame Gefühl und öffnen hastig die lang ersehnte Datei und … sind entsetzt.
Es ist wie damals in der Schule.
Sie sehen Rot, im wahrsten Sinne des Wortes. Mit dieser Menge an Verbesserungen und Kommentaren hätten Sie niemals gerechnet! Sie sind außer sich vor Wut, frustriert, enttäuscht und … alles gleichzeitig: „Was fällt dieser Frau eigentlich ein? Ich zahle ihr so viel Geld und sie zerreißt mein Werk in Trillionen Stücke.“ Oder: „Vielleicht habe ich ein mieses Buch geschrieben? Will das jemand lesen? Ich schmeiße hin…“ In Ihrem Kopf laufen sämtliche negativen Gedanken Amok.
STOPP!
Wie fühlen Sie sich, wenn Sie sich in die Situation dieses Autors hineinversetzen? Oder haben Sie vielleicht eine solche Situation bereits erlebt? Haben Sie noch klar denken können? Im Moment lassen wir außer Acht, ob die Kritik gerechtfertigt war oder nicht. Es geht mir vielmehr um Folgendes:
1. Wie gehen Sie mit Kritik um?
Sind Sie eher dankbar oder reagieren Sie wie in oben beschriebener Szene? Sollten Sie eben sofort haben mitleiden müssen, stellen Sie sich einmal die Frage, welche tiefen Glaubenssätze und Ängste hinter Ihrer Reaktion liegen.
Ich spreche aus Erfahrung: Zwischen 2020 und 2022 hatte ich insgesamt drei weder von anderen korrigierte noch lektorierte Romane im Selbstverlag veröffentlicht und 2023 wieder vom Markt genommen — jetzt überarbeite ich sie und lasse sie endlich lektorieren. Siehe da: Es hagelt Kritik, und sie ist vollkommen gerechtfertigt.
Warum? Weil meine Bücher noch unzählige Fehler enthielten. Angefangen bei der Unlesbarkeit des Klappentextes auf der Rückseite über eine viel zu lange und langweilige Einleitung bis zur Ausarbeitung der Charaktere. Natürlich habe ich auch noch mehr als ausreichend Fehler in Rechtschreibung, Grammatik, Zeichensetzung usw. übersehen. Kein Wunder, dass sie kaum verkauft worden sind. Heute schäme ich mich fast dafür, sie so veröffentlicht zu haben.
Ich stellte mir also folgende Frage: Warum hatte ich sie nicht vorher lektorieren lassen? Nicht einmal Testleser hatte ich beauftragt. Die Antwort ist mir heute klar: Ich war so arrogant zu behaupten, dass ich selbst perfekt lektorieren könnte. Heute weiß ich, dass sich hinter dieser Arroganz die Angst vor Kritik versteckt hatte. Es waren meine alten Muster und schlechten Erfahrungen aus Schulzeiten, die ich endlich habe ablegen dürfen.
Derzeit stelle ich mich einer konstruktiven Kritik und berichtige, was wirklich berichtigt werden muss. In anderen Punkten entscheide ich selbsbewusst, wie ich mit den Vorschlägen meiner Lektorin umgehe. Wir haben inspirierende Gespräche und stehen in einem guten Kontakt miteinander.
Heute weiß ich: Nie wieder werde ich ein Buch ohne ein gutes Lektorat veröffentlichen. Nur durch den Austausch mit anderen, Textlaien und Textprofis, kann ich mich selbst weiterentwickeln und meinen Kunden ein außerordentliches Lesevergnügen bereiten.
Fazit: Ich hatte meine Betriebsblindheit unterschätzt und alte Muster und Ängste abzulegen.
2. Wieviel darf eine Lektorin kritisieren und wenn notwendig, auf welche Art?
Als Lektorin habe ich — meiner Ansicht nach — auf sämtliche Fehler hinzuweisen, die gegen das amtliche Regelwerk des Rats für deutsche Rechtschreibung oder den Duden verstoßen. Bei diesen Fehlern gibt es nichts zu diskutieren. Ganz davon abgesehen, dass solche Fehler den Lesefluss und somit das Lesevergnügen erheblich stören.
Anders sieht es bei der Gesamtschau aus. Hiermit meine ich die Buchidee, den Plot, die Ausarbeitung der Figuren, die Stimmigkeit und Logik der Szenen und den Stil. Hier schreibe ich als Lektorin lediglich Kommentare und unterbreite Ihnen Verbesserungsvorschläge. Besonders wichtig ist es mir, dass Sie Ihren persönlichen Schreibstil behalten.
Bisher bewegen wir uns noch immer auf der rein technischen Seite von „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“ – um den Buchtitel von James N. Frey zu zitieren. Das ist ein Werk, was ich jedem Autor empfehle zu lesen.
Es gehört jedoch viel mehr dazu, einen guten Roman zu veröffentlichen.
Die Schreibtechnik allein reicht meiner Meinung nach nicht aus. Autoren brauchen den Willen, die Ausdauer, die Liebe zum Schreiben sowie Zeit, Ruhe und vor allem Eigenmotivation – also alle Eigenschaften, die unter mentale und psychische Stärke fallen. Vor allem müssen Autoren auch Zeiten von Frustration oder Resignation überwinden können. Es kostet einen Autor sehr viel, bis das Manuskript fertig ist.
Weil ich als Autorin genau weiß, wieviel mentale, seelische und auch körperliche Arbeit ich in meine Manuskripte gesteckt habe, darf und will ich als Lektorin nicht nur rein technisch den Rotstift ansetzen. Hinter jedem Manuskript steht ein Autor mit Herzblut und Seele, der meine große Hochachtung verdient.
Mein Verständnis als Lektorin ist es daher, Ihnen offen und ehrlich auf respektvolle Weise zu begegnen.
Ich sehe mich als Ihre Begleiterin und Unterstützerin. Natürlich werde ich verbessern, was zu verbessern ist. Natürlich werde ich einige Dinge anders sehen wie Sie, doch lassen Sie uns auf Augenhöhe darüber austauschen. Ich bin sicher, wir werden einen Weg finden.
Es ist – eigentlich – überflüssig zu erwähnen, dass ich Lektorate ablehne, in denen ein konstruktiver Austausch nicht stattfinden würde — aus welchen Gründen auch immer. Genau wie Sie möchte auch ich respektvoll behandelt werden.
Denn: „Achte auf Deine Worte …“ Lesen Sie dazu gerne auch Autorentipp Nr. 1.
Mögen wir in allen Bereichen unseres Lebens für einen respektvollen, offenen und ehrlichen Umgang in sämtlichen geschriebenen, aber vor allem in den gesprochenen Worten sorgen — vor allem bei Kritik.
Ich danke Ihnen, dass Sie mir Ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben.
Sie fühlen sich angesprochen und brauchen eine Lektorin? Schreiben Sie mir: Kontakt
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Wie erwähnt: Bitte beachten Sie, dass ich nur respektvolle und konstruktive Kommentare zulasse. Vielen Dank.